– Schulgesetzgebung modernisieren und Inklusion einen Rahmen geben –
Nach 14 Jahren reformiert Mecklenburg-Vorpommern sein Schulgesetz. Mit den neuen Regelungen wird den Entwicklungen der vergangenen Jahre in der Gesellschaft und an den Schulen Rechnung getragen und die Schulgesetzgebung im Land modernisiert.
Ziel des Gesetzes ist, dass alle Kinder und Jugendlichen die bestmögliche individuelle Förderung an unseren Schulen erhalten. Schon heute ist Inklusion – also das gemeinsame Lernen von Kindern mit unterschiedlichen Voraussetzungen, von der Hochbegabung bis zur Lernschwäche – an vielen Schulen gelebte Realität. Wir wollen diesen Weg in ein inklusives Bildungssystem in MV schrittweise und behutsam gehen. Für diesen Prozess werden mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die richtigen rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen. Der Prozess der Umsetzung soll, anstatt wie ursprünglich geplant bis 2023, nun bis 2028 andauern. Das gibt Zeit zur Erprobung, zum Sammeln von Erfahrungen, aber auch für die Personalgewinnung. Darüber hinaus werden diverse neue Regelungen eingeführt, die den Schulalltag vereinfachen und an die Erforderlichkeiten der heutigen Zeit anpassen sollen.
Die Umsetzung der Inklusionsstrategie bis 2028
Das neue Schulgesetz setzt die über die Parteigrenzen hinweg gemeinsam erarbeitete „Landesstrategie Inklusion“ um. Folgende Schwerpunkte umfasst die Inklusionsstrategie des Landes:
Lerngruppen: Möglichst viele Kinder sollen gemeinsam lernen können – in den Regelklassen oder, und das ist neu, teilweise auch in extra eingerichteten Lerngruppen für Schülerinnen und Schüler mit besonders stark ausgeprägtem sonderpädagogischen Förderbedarf im Bereich Sprache, Lernen oder auch Verhalten (ab dem Schuljahr 2020/21).
Schulen mit spezifischer Kompetenz: Es werden darüber hinaus 28 Schulen mit spezifischer Kompetenz eingerichtet, die die wohnortnahe Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit den Förderbedarfen Sehen, Hören, körperliche und motorische Entwicklung deutlich stärken.
Förderschulnetz: Parallel dazu wird es in Mecklenburg-Vorpommern auch weiterhin ein Netz an Förderschulen geben. Dauerhaft bestehen bleiben die folgenden Förderschulen:
- Schwerpunkt Sehen
- Schwerpunkt Hören
- Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung
- Schwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung
- Schwerpunkt geistige Entwicklung
- Schule für Kranke
Es werden (nur) aufgehoben:
- die letzte Förderschule in MV mit dem Förderschwerpunkt Sprache in Schwerin (ab Schuljahr 2020/21)
- die Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen (jedoch erst ab der zweiten Hälfte der 2020er Jahre)
Diese Förderschwerpunkte folgen keiner medizinischen Indikation.
Flexible Schuleingangsphase: Weil wir wissen, dass gerade kleinere Kinder mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen in die Schullaufbahn starten, richten wir eine flexible Schuleingangsphase ein. Die Jahrgangsstufen 1 und 2 können in einem Zeitraum von einem bis zu drei Schuljahren besucht werden. Ob diese Regelung eingeführt wird, darüber entscheidet die Schulkonferenz der jeweiligen Schule selbst. In der Schuleingangsphase werden keine Ziffernoten vergeben.
Flexible Schulausgangsphase: Kein Jugendlicher soll ohne Schulabschluss die Schule verlassen müssen. Durch Maßnahmen wie einem freiwilligen 10. Schuljahr oder der Berufsreife dual werden Jugendlichen klare Wege aufgezeigt, wie sie die Berufsreife erlangen können, wenn es ihnen über den herkömmlichen Weg in der Regelschule nicht gelingt. Sie erhalten mehr individuelle Möglichkeiten, dieses Ziel zu erreichen. Frühzeitige Einblicke in das praktische Berufsleben neben dem Schulalltag sollen das Interesse fördern.
Was wird mit diesem Gesetz außerdem neu geregelt?
- Als erstes Bundesland nimmt in M-V den Schutz gegen sexualisierte Gewalt und Mobbing eine Verankerung im Gesetz vor. Zukünftig wird das Thema verpflichtend in das Schulprogramm aufgenommen.
- Es wird ein Schullastenausgleich eingeführt für Kooperative Gesamtschulen, Schüler aus anderen Bundesländern (gegenseitige Vereinbarung Brandenburg) sowie für Sportgymnasien.
- Die berufliche Orientierung an den Schulen wird deutlich gestärkt. Ab dem Schuljahr 2020/21 wird sie ein Grundkurs in der gymnasialen Oberstufe sein.
- Schulen können erstmals Schulgirokonten einrichten, um Zahlungswege zu vereinfachen (z.B. Klassenfahrten). Damit wird ein jahrelanges Problem endlich aus der Welt geschafft.
- Es wird ein neuer Weg zur Erlangung der Mittleren Reife an Gymnasien eingeführt. Bei einem Notendurchschnitt von mind. 3,9 nach der 10.Klasse erhalten die Jugendlichen die Mittlere Reife. Wer dies nicht schafft, kann freiwillig eine Prüfung ablegen.
Der Prozess zum neuen Schulgesetz
Das neue Schulgesetz ist Ergebnis einer intensiven gesellschaftlichen Debatte und aus dem zwischen den Fraktionen SPD, CDU und Die Linke geschlossenen Fraktionsfrieden hervorgegangen. Im Dezember 2018 wurde es von der Landesregierung im Kabinett beschlossen und darauf folgend im selben Jahr noch in den Landtag eingebracht. Im März 2019 gründete sich nach der öffentlichen Verbandsanhörung das „Bündnis für gute Schule“, dem zahlreiche bildungspolitische Vertreter und Vertreterinnen der Zivilgesellschaft angehören. Sie forderten mehr Mitspracherecht im Prozess und einen Dialog über konkrete Veränderungen am Gesetzentwurf ein. Mehrere Diskussionsveranstaltungen mit dem Bündnis für gute Schule, den Landtagsabgeordneten und dem Bildungsministerium fanden daraufhin in den vergangenen Monaten statt. Diverse Änderungsvorschläge aus diesem Diskussionsprozess haben Eingang in das neue Schulgesetz gefunden.